Nadeshda Brennicke im Interview

Die Schöne ist das Biest

von Anja von Fraunberg

Für die Rolle der bösen Königin in der Märchen-Neuverfilmung "Schneewittchen und der Zauber der sieben Zwerge" hat sich Nadeshda Brennicke etwas ganz Besonderes ausgedacht, wie sie im Interview verrät.

Es ist eine Paraderolle für Nadeshda Brennicke: Wenn das ZDF am Dienstag, 24. Dezember, um 15.05 Uhr, "Schneewittchen und der Zauber der sieben Zwerge" ausstrahlt, dann ist in der opulenten Märchen-Neuverfilmung auch die 46-Jährige als böse Königin zu sehen. Wahrscheinlich wird, wo immer es die Hauptrolle der schönen, scheinbar gefühlskalten und psychopathisch angehauchten Figur zu besetzen gilt, wird bei Nadeshda Brennicke angefragt. "Das ist so etwas wie mein Spezialgebiet geworden", räumt sie lachend ein. Dabei hat die Karriere der in Freiburg im Breisgau geborenen Schauspielerin ganz anders angefangen: Mit 18 Jahren wurde Brennicke von Söhnke Wortmann von den Schauspielschule weg für die Liebeskomödie "Manta – Der Film" entdeckt, in der sie die Friseuse Tina spielte. Seitdem ist die schöne Blondine, die ihren mittlerweile 22-jährigen Sohn allein großzog, mit Auftritten in nationalen und internationalen Produktionen konstant im Geschäft. Dennoch wird Nadeshda Brennicke nicht zu den ganz großen Stars des deutschen Films gezählt – ein Umstand, über den sie sogar sehr glücklich ist, wie sie im Interview verrät.

prisma: Frau Brennicke, Sie spielen in "Schneewittchen" die böse Königin. Was hat Sie an dieser Märchenverfilmung gereizt?

Nadeshda Brennicke: Der Film ist die erste Regie von Ngo The Chau, der ja ein langjähriger Lebensgefährte von mir war. Jetzt sind wir seit vielen Jahren einfach nur befreundet, aber er ist ein sehr wichtiger Freund in meinem Leben, und auch künstlerisch liegen wir uns einfach nah. Daher habe ich mich wahnsinnig gefreut, dass er mich gefragt hat, so eine wichtige Rolle in seinem ersten Projekt zu spielen.

prisma: Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert, gerade da Sie so eine besondere Beziehung zueinander haben?

Brennicke: Wenn man sich so nah ist, kann man viel ausprobieren und man kommt sofort zum Punkt. Wir diskutieren nicht mehr, wir wissen ganz genau, wie wir es machen müssen. Die Kommunikation funktioniert einfach, wenn man sich so lange kennt. Das ist ein unheimliches Geschenk. Ich muss ihm nicht mehr erklären, was ich mache, wenn ich mit einer Handbewegung anfange, er weiß ganz genau, was dann kommt. Das ist so eine besondere Qualität, das ist wirklich schön.

prisma: Die böse Königin ist ja nicht unbedingt eine Sympathieträgerin. Wie haben Sie sich die Figur erarbeitet?

Brennicke: Bei so düsteren Rollen überlege ich mir erst einmal eine Physis: Welche Körperlichkeit hat diese Figur, warum ist sie so, welche Motivation hat sie, wie möchte ich sie darstellen? – Jede Form von Körpersprache ist mir unheimlich wichtig beim Geschichten erzählen. Ich beobachte die Menschen generell sehr in ihrer Physis. Da habe ich mir schon ein richtiges Archiv im Hirn angelegt, mit vielen kleinen Gimmicks, die ich mir für die passenden Gelegenheiten aufhebe.

prisma: Und welche Physis haben Sie sich für die böse Königin überlegt?

Brennicke: In dem Fall war es die einer Schlange. Ich habe, auch mit diesem Kleid, diesen Schwanz richtig gespürt, den ich da hinter mir hergezogen habe. Diese Technik muss man gar nicht vordergründig benutzen, aber wenn man diese Vorstellung als Sub-Ebene einmal drin hat, in der Haltung oder in der Art, wie man die Menschen anguckt, ist das das Schönste am Schauspiel. Weil man dadurch so einen Abstand zu der eigenen Persönlichkeit gewinnt, dass man sich wirklich fallen lassen kann und manchmal selbst überrascht ist, was dabei so herauskommt.

prisma: Die Königin ist aber auch die facettenreichste Figur in dem Film ...

Brennicke: Ja, wirklich toll! Ich würde mich stinkelangweilen mit Schneewittchen! (lacht) Am Anfang meiner Karriere fand ich es ganz schlimm, wenn ich solche Rollen bekam, nach dem Motto, warum bin ich immer nur die Böse. Mittlerweile bin ich so glücklich damit! Die schönsten Rollen, die ich in meinem Leben gespielt habe, waren leicht bis schwer gestörte Persönlichkeiten.

prisma: Können Sie es nachvollziehen, dass jemand so fanatisch auf sein Aussehen bedacht ist?

Brennicke: Das ist ja die Geschichte der Menschheit, das gab es schon im alten Ägypten! Wir alle wollen uns doch in unserem Körper so lange wie möglich gut und schön fühlen, und ich finde auch nichts Vermessenes daran. Ich finde es eher schrecklich, dass immer noch die Nase gerümpft wird, wenn eine Frau sich um ihren Körper kümmert.

prisma: So lange es nicht krankhaft wird ...

Brennicke: Klar, wenn man zu viel macht, ist es eine andere Sache, aber zu viel ist in allem blöd. Aber es ist doch ein Privileg, in der heutigen Zeit als Frau mit 40 nicht zum Alten Eisen zu gehören, nicht gesellschaftlich abgelegt zu werden, sondern die Möglichkeit zu haben, sich wohlzufühlen im eigenen Körper. Wie toll ist das, dass man, wenn man mit 20 ein Kind bekommen hat, nicht für den Rest seines Lebens ohne Brüste herumlaufen muss! Trotzdem darf man bis heute nicht offen darüber reden!

prisma: Sie sprechen da aus eigener Erfahrung ...

Brennicke: Ja, ich bin damals sehr offensiv mit dem Thema umgegangen und musste mir alles Mögliche anhören. Das war nicht einfach. Für Ehrlichkeit wird man schnell verspottet, wenn es nicht ein angepasstes Thema ist. Nicht nur bei der Presse oder jetzt den sozialen Medien – das fängt ja bei uns Frauen schon an! Warum rümpfen wir über uns gegenseitig permanent die Nase, da bin ich manchmal richtig sauer. Ein bisschen mehr Leichtigkeit wäre da schon angebracht.

prisma: Man muss dann aufpassen, dass man trotzdem in Würde altert ...

Brennicke: Ja klar, das ist ein schmaler Grat, da brauchen wir gar nicht darüber zu reden. Ich finde nur, mit seinem Körper kann jeder machen, was er will. Wer sind wir denn, da über andere zu urteilen?

prisma: Ist Ihr Aussehen für Sie in Ihrem Beruf immer von Vorteil gewesen?

Brennicke: Nein, eher von Nachteil. Man wird sehr, sehr schnell in eine Schublade gesteckt. Es ist schon schwierig. Ich habe so oft gehört, dass ich zu schön bin, nicht authentisch genug oder nicht klassisch genug.

prisma: Trotzdem sind Sie schon seit Jahren in dem Business dabei ...

Brennicke: Das Schöne ist, dass man, egal, in welche Schublade man gesteckt wird, sich mit konstanter Qualität doch immer aus allem herausarbeiten kann. Sie können auch aus einer kleinen Rolle, die eine unsympathische Figur ist und für die Sie vielleicht bewusst wegen Ihres Aussehens besetzt wurden, etwas ganz Tolles machen. Das wurde irgendwann so etwas wie mein Spezialgebiet, dass ich die unsympathischen Damen, die im Drehbuch nicht wirklich gut dargestellt waren, so gespielt habe, dass man die Seele dahinter versteht.

prisma: Wurmt Sie es nicht, dass der ganz große Durchbruch bisher ausgeblieben ist?

Brennicke: Nein, ich sehe es auch als Riesenglück an. Denn ich glaube, es ist auf lange Sicht viel besser, in einem gesunden Mittelfeld über einen langen Zeitraum spielen zu dürfen, als aus dem Nichts nach ganz oben geschossen zu werden, um dann nach ein paar Jahren hart abzufallen. Das stelle ich mir unglaublich brutal vor. Diesen Absturz musste ich nie erleben, und da bin ich aufrichtig dankbar. Es gefällt mir ganz gut, wo ich mich bewege.

prisma: Haben Sie schon ein nächstes Filmprojekt geplant?

Brennicke: Nein, tatsächlich nicht. Ich habe auch in diesem Jahr nur zwei ganz kleine Projekte gemacht, weil ich mich auch persönlich verändert habe. Ich habe meinen Hof verkauft und will jetzt noch mal etwas ganz Neues für mich entdecken.

prisma: Inwiefern?

Brennicke: Ich komme jetzt in eine Phase, in der ich gerne mich mehr entdecken und mich um mich kümmern möchte. Davor habe ich mich ja um mein Zuhause gekümmert, um meinen Sohn, die Natur, die Tiere. Das habe ich auch gern gemacht, das war meine Familie, und es war auch ein zauberhafter Ort für meinen Sohn, um da aufzuwachsen. Aber jetzt würde ich gerne mal die Welt sehen und all das tun, was ich nicht machen konnte, weil ich mit Anfang 20 schon Mutter geworden bin. Das ist eine Form von Freiheit, die ich in meinem ganzen Leben nie hatte und die ich jetzt einfach mal kurz ein bisschen genießen möchte.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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