Drama als TV-Premiere im ZDF

"Nebel im August": NS-Euthanasie in der Nervenklinik

von Wilfried Geldner

Zwischen 1939 und 1944 wurden in deutschen Nervenkliniken rund 200.000 Menschen ermordet, weil sie angeblich lebensuntüchtig waren. Der Film erzählt das Schicksal eines damals 13-jährigen Jungen.

ZDF
Nebel im August
Drama • 27.01.2019 • 22:00 Uhr

Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) ist ein frischer, aufgeweckter Junge. Eigentlich will er mit seinem Vater nach Amerika, an den Michigan-See, denn er träumt von den frei lebenden Indianern. Doch dann wird Ernst in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert. Es werde ihm gut gehen, verspricht der untersuchende Arzt und Anstaltsleiter, der sich seinen Rücken zeigen lässt. Er ist voller Striemen. In vorherigen Heimen wurde Ernst offensichtlich geprügelt, er wehrte sich gegen Ungerechtigkeiten, ließ sich nichts gefallen. Nachdem ihm die Haare geschoren worden sind, sieht man ein Foto des wahren Ernst Lossa, dessen Schicksal der Film "Nebel im August" (2016) erzählt. Es ist ein berührendes Bild, das vom Los Hunderttausender während der NS-Zeit zeugt. ZDF zeigt das Drama erstmals im Free-TV.

"Euthanasie" bedeutet "guter Tod" und meinte in der NS-Zeit nichts anderes als die Vernichtung angeblich "unwerten Lebens". Noch lange nach dem Kriegsende sah man über die gezielte Tötung von Menschen in den Nervenheilanstalten hinweg, die Täter wurden zu niederen Gefängnisstrafen verurteilt und früh begnadigt oder gar gedeckt. Der Film mit dem etwas sperrigen Titel "Nebel im August" (wohl in Anlehnung an Renais' "Nacht und Nebel" über die KZs) bricht das Schweigen auf. Aus Zahlen wird ein Schicksal, das berührt und gefangen nimmt.

Ernst erfährt sehr bald, was in der Heilanstalt vor sich geht. Auch wenn der Leiter, gespielt von Sebastian Koch, einen durchaus freundlichen Eindruck macht. Bislang wurden die von höherer Warte in Berlin Aussortierten dort durch Vergasen oder Vergiften umgebracht. Der Film setzt zu jenem Zeitpunkt ein, da 1941 nach Protesten aus der Bevölkerung das Morden dezentralisiert wurde – nun waren die einzelnen Anstalten selbst für die Vernichtung zuständig.

Wie ein schöner Todesengel bietet die Krankenschwester Edith (Henriette Confurius) ihre Dienste an. Sie reicht den Kranken erhöhte Dosen von Barbituraten im Himbeersaft. Ernst Lossa lässt sich von ihrem unschuldigen Aussehen nicht täuschen. Er schließt sich stattdessen mit Schwester Sophia (Fritzi Haberlandt) zusammen, die ihre Patienten vor dem Schlimmsten bewahren will. Am Ende wird aber auch Ernst Lossa, der Angehöriger der Jenischen, eines fahrenden Volkes ist, ermordet.

Dass der Film, der auf Robert Domes' 2008 erschienenem gleichnamigen Tatsachenroman über Ernst Loos beruht, um allerlei Faktenvermittlung (SS-Propaganda und Vernichtungsstrategien) nicht herumkommt, sei nicht verschwiegen. Doch all das schmälert nicht das Verdienst, eines der dunkelsten Kapitel aus der deutschen Vergangenheit sehr anschaulich ans Tageslicht gebracht zu haben.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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