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"Stalins James Bond – Richard Sorge": Geheimagent, Frauenheld, Kommunist

von Christopher Schmitt

Vom wichtigsten Geheimagenten zum Verleugneten zum "Held der Sowjetunion" post mortem. Der Deutschrusse Richard Sorge war Meisterspion, Trinker, Playboy, und er lieferte dem Kreml überlebenswichtige Informationen aus Japan.

ARTE
Stalins James Bond – Richard Sorge – Der verratene Meisterspion
Dokumentation • 26.03.2020 • 20:15 Uhr

"Wenn irgendjemand Hitler vernichtet, dann bin ich das, Richard Sorge", soll der Geheimagent in Diensten Stalins nach einem Bier zu viel einmal gesagt haben. Mag Richard Sorge zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr ganz nüchtern gewesen sein, was ebenfalls als typisch gelten darf, bildet diese Aussage doch recht treffend seine Persönlichkeit ab. Zum einen sein großes Selbstvertrauen, gespeist durch seine hervorragende Spionagearbeit, zum anderen seinen glühenden Antifaschismus. Zur Vervollständigung seines Profils sei seine charismatische Ausstrahlung genannt, aufgrund derer ihm die Frauen zu Füßen lagen.

Tatsächlich erinnern viele Eigenschaften an niemand geringeren als den größten Geheimagenten der Popkultur. Der Name der ARTE-Reportage "Stalins James Bond" von Danielle Proskar und Michael Trabitzschist also durchaus treffend gewählt. Allerdings gelingt es dem Helden 007, sich aus jeder noch so misslichen Lage zu befreien, wohingegen Richard Sorge kein Happy End vergönnt war. Von der Sowjetunion verleugnet wurde er 1944 in Japan hingerichtet, dem Land, dessen Bräuche und Politik er studierte und dessen Geheiminformationen er an den Kreml weiterleitete. "Sorge hat Japans Lage und Probleme von A bis Z offenbart – fundamental. Er war der wertvollste Mitarbeiter", äußert sich Historiker Vladimir Chaustov über die Bedeutung des Russlanddeutschen als Informant für die Sowjetunion.

Sorge wurde 1895 im aserbaidschanischen Baku als Sohn eines Deutschen und einer Russin geboren und kam mit drei Jahren nach Berlin. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs machten ihn zum glühenden Kommunisten. Nur der Kommunismus würde in seinen Augen den Weltfrieden langfristig sicherstellen und weitere Kriegsgräuel vermeiden. Für die Sowjetunion spionierte er Ende der 30er- und Anfang der 40er-Jahre im außenpolitisch aggressiv auftretenden japanischen Kaiserreich. Seine Kontakte ermöglichten ihm außerdem Zugang zur deutschen Botschaft in Tokio, weshalb er über interne Informationen gleich zweier antikommunistischer Mächte verfügte. Entgegen der Norm werden über die Hälfte der Berichte des Ausnahmeagenten der Kreml-Spitze und auch Stalin vorgelegt.

Trotz strenger japanischer Spionageabwehr gelingen ihm regelrechte Coups: Zum einen erfuhr er vom geplanten deutschen Angriff auf die Sowjetunion bereits Wochen bevor dieser stattfand, allerdings schenkte Stalin dem Nichtangriffspakt mit Hitler mehr Glauben als seinem Agenten – und beleidigte diesen obendrein. Letztendlich profitierte der sowjetische Diktator aber davon, dass Sorge herausfand, das Japan in Sibirien nicht angreifen würde. Die folgenden Truppenverschiebungen an die Westfront waren überlebensnotwendig.

Trotz seiner Verdienste stimmte der Kreml einem Agentenaustausch nach seiner Verhaftung nicht zu. Bis zu seinem Tod blieb der von einem Vertrauten Verratene überzeugter Kommunist: "Es lebe der internationale Kommunismus", waren seine letzten Worte. Der Dank für seine Dienste folgte erst 20 Jahre nach seinem Tod. Sorge wurde post mortem zum "Held der Sowjetunion" ernannt.

Stalins James Bond – Richard Sorge – Der verratene Meisterspion – Do. 26.03. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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