SAT.1-Film "Ein ganz normaler Tag"

Sonja Gerhardt: "Das hat mich wirklich erschrocken"

von Erik Brandt-Höge

Es passiert immer wieder, überall, und überall reagieren die Menschen anders: Gewaltattacken in der Öffentlichkeit. Im SAT.1-Drama "Ein ganz normaler Tag" (Montag, 8. April, 20.15 Uhr) wird die Zivilcourage von Tram-Reisenden auf die Probe gestellt, als zwei Jugendliche zwei Mitfahrer verprügeln. Später wollen sich Zeugen plötzlich nicht mehr erinnern, und die Anwältin Jessica Maurer hat alle Hände voll zu tun, um die Täter belangen zu können.

Maurer wird gespielt von Sonja Gerhardt, 29, die sich im Rahmen der Dreharbeiten natürlich auch fragte: Wie hätte ich reagiert? Ein Gespräch mit der gebürtigen Berlinerin über Mut, Empathie und Aufklärung.

prisma: Sonja Gerhardt, auf einer Skala von eins bis zehn, wenn zehn sehr mutig ist, wo würden Sie sich ansiedeln?

Sonja Gerhardt: Ich würde sagen: acht!

prisma: Hoch! War das schon immer so? Oder haben Sie mit den Jahren an Mut gewonnen?

Gerhardt: Nein, das war eigentlich schon immer so.

prisma: Wann haben Sie denn zuletzt Mut bewiesen?

Gerhardt: Als ich in einer ganz alltäglichen Situation jemandem die Meinung gesagt habe, denn manchmal bedarf es auch Mut, gewisse Dinge direkt anzusprechen ...

prisma: Sind Sie an sich jemand, der immer gerne seine Meinung sagt?

Gerhardt: Das mache ich eigentlich jeden Tag, denn mit Höflichkeitslügen ist ja niemandem geholfen. (lacht)

prisma: Auch schon mal Mut im Sinne von Zivilcourage bewiesen?

Gerhardt: Zum Glück habe ich bisher noch keine eskalierende Situation persönlich miterlebt, ansonsten hätte ich natürlich Zivilcourage gezeigt. Als ich das Drehbuch von "Ein ganz normaler Tag" las, habe ich reflektiert, ob es so etwas Ähnliches wie die Szene in der Tram schon mal in meinem Leben gegeben hat. Aber glücklicherweise noch nicht.

prisma: Sicher haben Sie auch darüber nachgedacht, wie Sie in einer derart schwierigen Situation reagieren würden.

Gerhardt: In einem solchen Moment kann man ja selbst schnell zum Opfer werden, deshalb ist es wichtig, sich nicht in Gefahr zu begeben, sondern sofort die 110 anzurufen und andere Menschen, die in der Nähe sind, gezielt anzusprechen.

prisma: Im Film gibt es verschiedene Reaktionen der Menschen drum herum. Eine Frau reagiert auf die Schläger sehr offensiv und sagt, sie würde die Täter hören, würde sie aber nicht hören wollen. Ein Pärchen streitet sich, ob es nun einschreiten sollte oder nicht. Sympathisieren Sie aufgrund der angegeben "acht" in der Mutig-Skala eher mit der Frau, die eine klare Ansage macht?

Gerhardt: Ja! Ich würde ähnlich reagieren und eben auch andere ermutigen, zu helfen.

prisma: Wie war denn Ihre erste Reaktion beim Lesen der Tram-Szene im Drehbuch?

Gerhardt: Ich musste weinen. Mich hat diese Szene einfach wahnsinnig berührt. Ich dachte: Wie kann so etwas passieren? Wie können Menschen anderen Menschen gegenüber so sein? Wie kann Menschlichkeit und Empathie so sehr fehlen? Das hat mich wirklich erschrocken. Und diese erste Reaktion von mir war letztlich auch ein Grund, warum ich diesen Film so gerne machen wollte. Ich wollte zu mehr Empathie anregen.

prisma: Sie haben kürzlich auch abseits des Sets in einem öffentlichen Statement zu mehr Mut und Zivilcourage aufgerufen. Wie kann man das in einer Gesellschaft am besten erreichen?

Gerhardt: Man sollte schon in der Schule mehr aufgeklärt werden. Denn als Kind lernen wir, wie man miteinander umgeht, und genau in dieser Zeit sollten die jeweils für die Kinder Verantwortlichen ihnen beibringen, dass es selbstverständlich ist, aufeinander aufzupassen, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und nicht wegzusehen, wenn es jemandem schlecht geht.

prisma: Wurden Sie in der Schule darauf denn auf diese Weise aufgeklärt?

Gerhardt: Nein, mir haben das alles meine Eltern mitgegeben. Ich bin von Haus aus jemand, der auf seine Mitmenschen achtet.

prisma: Dann war es womöglich eine kleine persönliche Genugtuung, dass Sie im Film mit Staatsanwältin Jessica Maurer die Rolle der Gerechtigkeit einnehmen durften?

Gerhardt: Klar war es schön, so eine Rolle spielen zu dürfen. Aber vor allem ging es mir darum, den Zuschauern das Thema und den möglichen Umgang damit näher zu bringen.

prisma: Hätten Sie auch eine Schlägerin, also eine Täterin gespielt?

Gerhardt: Ja, denn als Schauspielerin hat man ja auch oft die Aufgabe, sich in Rollen einzufinden, mit denen man sich nicht persönlich identifizieren kann. Das ist meistens eine noch größere Herausforderung!

prisma: Ob die Rolle der Täterin oder des Rechts: Vielleicht sollte es nicht nur mehr Aufklärung an Schulen, sondern allgemein auch mehr solcher Filme geben?

Gerhardt: Definitiv. Der Film ist ja auch Teil einer Reihe von SAT.1-Produktionen über Problemthemen, in weiteren geht es um K. O.-Tropfen und Stalking. Dass diese Filme gedreht wurden und damit die breite Masse erreicht werden kann, finde ich toll!

prisma: Sie sagen, Sie hätten beim Lesen des Drehbuchs geweint. Wie war denn Ihre Reaktion, als Sie den fertigen Film gesehen haben?

Gerhardt: Ich finde ihn sehr gelungen, vor allem, weil die Bildsprache so gestaltet ist, dass nichts vom Wesentlichen ablenkt. Und bei der besagten Szene musste ich auch beim Zuschauen dann wieder schlucken. Ich würde mich natürlich freuen, wenn der Film die Zuschauer genauso berührt.

prisma: Erinnern Sie sich an einen Film, der Sie mal genauso stark berührt hat? Womöglich auch einer mit einer gesellschaftlich wichtigen Thematik?

Gerhardt: Mich hat die "Ku'damm"-Reihe nachhaltig geprägt. Die Filme "Ku'damm 56" und "Ku'damm 59" thematisieren die Umstände der frühen Nachkriegsjahre und die damalige Rolle der Frau in der Gesellschaft. Durch die Dreharbeiten habe ich unglaublich viel über diese Zeit gelernt und die Frauen, die damals den Kampf für die Emanzipation auf sich genommen und für mehr Gleichberechtigung gekämpft haben, haben großen Respekt verdient.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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