Dritter Krimi der ZDF-Reihe

"Wendland – Stiller und der rote Faden": Jagd auf Tiere und Verbrecher

19.05.2024, 08.49 Uhr
von Maximilian Haase

Im dritten Krimi der „Wendland“-Reihe wird ein brutaler Mord als Wildunfall getarnt. Ulrich Noethen ermittelt wieder als Kommissar und entdeckt düstere Geheimnisse in einer malerischen Gegend. 

ZDF
Wendland – Stiller und der rote Faden
Kriminalfilm • 18.05.2024 • 20:15 Uhr

Die Jagd und ihre verschrobenen Liebhaber

Weil sich Regionalkrimis bekanntermaßen großer Beliebtheit erfreuen, schloss man in den letzten Jahren vom Erzgebirge bis Berchtesgaden noch die letzten Lücken auf der deutschen Fernsehlandkarte. 2022 kam eine zuvor kaum beachtete Gegend hinzu: Im schönen "Wendland", so auch der Titel der ZDF-Reihe, ermittelt der strafversetzte Kommissar und leidenschaftliche Schriftsteller Jakob Stiller alias Ulrich Noethen zwischen Elbauen und Fachwerkörtchen. Folgte auf die mit 6,35 Millionen Zuschauern durchaus goutierte Premiere zunächst keine Fortsetzung, geht es nun so richtig los: Nachdem der Ermittler in der zweiten Episode mit der deutsch-deutschen Geschichte der Region konfrontiert wurde, erweist sich im dritten "Wendland"-Krimi ein vorgeblicher Wildunfall als Mord. Der Kommissar begibt sich in "Stiller und der rote Faden" in ein Dickicht aus zwielichtigen Jagdschülern und marodierenden Wilderern – und lernt so wie das Publikum viel über die Jagd und ihre verschrobenen Liebhaber.

Ein überfahrenes Wildschwein an einer Landstraße wäre im Wendland nichts Besonderes, läge neben dem toten Keiler nicht auch ein toter Mann. Beide erstochen – wobei das Tier erlöst wurde und das Mordopfer eher nicht. Kommissar Stiller, abermals als durchaus begabter Autor mit Hang zum Schwermütigen inszeniert, stürzt sich direkt von seiner Schreibstube in die schwierigen Ermittlungen. Der Tote war alteingesessener Bäckermeister in der Nähe. Seine trauernde Witwe Sonja (toll: Frida-Lovisa Hamann) wirkt seltsam entrückt, vor allem aber überfordert: "Scheiß-Bäckerei", klagt sie. Unterstützung erhält sie von der einzigen Angestellten Patty (Angelina Häntsch), die für das Handwerk brennt.

Städter trifft auf Landbevölkerung

Hilft sie ganz ohne Hintergedanken? Stiller und Kollegin Kira (Bettina Burchard) ermitteln sich mit Unterstützung des Dorfpolizisten (Malte Thomsen) und der örtlichen Tierärztin (Helene Grass) in klassischer Who-dunnit-Manier durch den sehenswerten Krimi – und stoßen schließlich auf eine Jagdschule in der Nähe des Tatorts.

Deren Leiter Raik (großartig gespielt vom international gefragten Sebastian Hülk in einer Paraderolle) scheint etwas zu verheimlichen. Nicht minder eigenartig verhalten sich seine Schüler, die in der Nacht des Mordes durch den Wald streiften. "Es gibt nur eine ganz dünne Schicht, die uns von der Brutalität der Natur trennt", raunt etwa der Prepper, der zwecks Selbstversorgung jagen lernen will, während eine Schülerin über ethisch-moralisches Fleisch philosophiert. Die Gründe für die Jagd, lernt man, sind so vielfältig wie die Charaktere, die ihr verfallen. Die Menschen kämen zu ihm, "weil sie komplett den Kontakt zur Natur verloren haben", schwadroniert auch der zwielichtige Jagdschulleiter. Und dann wäre da noch der unbekannte Wilderer, der die Wälder unsicher macht. Hat er nicht nur Tiere, sondern auch Menschen auf dem Gewissen?

Während die Ermittler rätseln und im Wald aufgestellte Kameras wortwörtlich Licht ins Dunkel bringen sollen, erfahren Kommissar und Publikum eine Menge übers Jagen. Weisheiten wie "der Jäger pirscht sich immer gegen den Wind an" werden ebenso kredenzt wie allerlei Smalltalk-Häppchen. Wer wusste schon, dass Kaninchen sich manchmal im Fuchsbau und damit beim Fressfeind einquartieren? "Die Jagd ist etwas ganz Normales. Wir sind damit aufgewachsen", erklärt die Tierärztin dem Kommissar. "Bei uns in der Stadt glauben auch alle, die Wurst kommt aus dem Kühlschrank", entgegnet Stiller, der nach wie vor mit der Provinz hadert. Gequält blickt er, wenn die Kollegen sich über Verstrickungen im Dorf unterhalten – andersherum erntet der städtische Kollege vielsagendes Augenrollen.

Erinnerungen an Max Frisch

Da hilft es nicht unbedingt, dass der aus der Großstadt verstoßene Herr Ermittler vor allem mit dem Fahrrad unterwegs ist und das Autofahren kategorisch ablehnt. Die Fallhöhe zwischen dem kreativen, ökobewussten Städter und seiner neuen ländlichen Heimat ist groß – und wird im auch im neuen Film unter Regie von Bruno Grass genüsslich ausgespielt.

"Was Stiller manchmal im Weg steht, ist seine Ungeduld", analysiert Hauptdarsteller Ulrich Noethen, der die widersprüchlichen Züge seiner ebenso zweifelnden wie hartnäckigen Figur herausragend umsetzt. "Wenn wir nehmen, müssen wir später geben. Und haben wir zu viel gegeben, müssen wir am Ende wieder nehmen", bringt der schreibende Ermittler Stiller, der sicher nicht zufällig nach dem Meisterwerk von Max Frisch benannt ist, zu Papier. Wenn's als Kommissar nix wird, könnte seine Prosa durchaus etwas abwerfen.

Wendland – Stiller und der rote Faden – Sa. 18.05. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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